„Treibstoff ist alle, ich gehe unter die Wolken und setze zur Landung an“, meldete der Pilot.
„Da unten sind nur Felsen“, erwiderte der Navigator skeptisch.
„Bringen Sie den Passagieren Fallschirme.“
Der Navigator bückte sich, um nicht an den Lukenrand zu stoßen, und ging in die hintere Kabine. Dort befanden sich zwei Passagiere: der Professor und Archäologe Efimov und die junge Soja Konstantsewa, Zoologin und Forscherin an der Universität Moskau.
Der Navigator setzte sich neben den Professor, der auf der seitlichen Bank saß. Er schwieg einige Zeit, traute sich nicht, das Gespräch sofort zu eröffnen.
„Ihr habt doch sicher mit Fallschirmen trainiert, Kameraden?“, fragte er mit seiner tiefen und sanften Stimme in einem Tonfall, als könne er seinen eigenen Worten nicht glauben.
Der Professor vergaß das Schaukeln, das ihn quälte, und stand hastig auf. Neben dem Navigator wirkte er sehr klein und alt.
„Warum wollen Sie das wissen?“, fragte er barsch.
Das Mädchen zuckte zusammen. Sie war dünn und zart. Ihre Freunde hatten ihr den Spitznamen „Stängelchen“ gegeben, und ihr breitkrempiger Hut unterstrich diesen Vergleich noch.
„Sehen Sie“, sagte der Navigator zögernd, „wir haben kein Benzin mehr!“
„Wie? Ist es noch weit bis Moskau? Denn nach der Zeit zu urteilen …“
„Wir konnten weder auf dem Moskauer Flugplatz, noch in Charkow, noch in Rostow, noch in Odessa landen. Überall tobte der Zyklon. Wir mussten umkehren.“
„Umkehren?!“ Der Professor war entsetzt. „Wir kommen also zu spät zum Beginn der archäologischen Konferenz?“
Der Navigator fuhr fort: „Wir sind nach Batumi geflogen, aber an der gesamten Schwarzmeerküste herrschte Sturm und deshalb hatten wir keine Bodensicht. Nur am Kaspischen Meer war das Wetter gut.“
„Wo sind wir jetzt?“, fragte das Mädchen zaghaft.
„Über dem Kaukasus … ohne Benzin und hier gibt es keine Lande- plätze.“ Der Navigator, der die fürchterliche Wahrheit endlich ausgesprochen hatte, beendete sichtlich erleichtert seine Worte.
„Ich … Ich werde nicht springen können“, sagte Soja, die kaum in der Lage war, die Worte zu formulieren, und sogar vom Navigator abrückte.
„Und Sie, Professor?“
„Ich? Ähm … Na, was bin ich schon für ein Fallschirmspringer!“, wehrte der Archäologe mit der Handwedeln ab. „Aber hören Sie: Wussten Sie, dass ich einen Teil der Inschrift auf dem Deckel des Sarkophags, den wir mit uns führen, entziffert habe?“
„Sie werden also nicht abspringen?“, sagte der Navigator nachdenklich. „Natürlich werde ich einen Notruf senden, aber …“
„Moment mal, damit geht doch die Entschlüsselung des Manuskripts verloren … Und sie darf der Wissenschaft nicht verloren gehen!“
Der Navigator zuckte hoffnungslos mit den Schultern und erhob sich. Der Professor kramte eilig in seiner Aktentasche.
„Sie haben gerade erwähnt, dass Sie einen Notruf absetzen werden. Das ist hervorragend! Lieber Freund, dann übermitteln Sie doch bitte den Text meiner Niederschrift per Funk.“
Soja sah den alten Mann überrascht an und schämte sich ein wenig wegen ihrer Angst. Sie erinnerte sich an ihre heutige Begegnung auf dem Flugplatz von Batumi.
Schuld daran war eine schwere Steinplatte, die von einer Versuchsbaustelle nach Moskau gebracht werden sollte. Der Pilot weigerte sich, sowohl die Platte und den Steinsarkophag von König Assurbanipal, die Efimov nach vierjährigen Ausgrabungen gefunden hatte, als auch Sojas Fracht, eine riesige Zinkbox, mitzunehmen. Das Mädchen konnte den Professor nicht davon überzeugen, dass sein Sarkophag, der zweitausendsechshundert Jahre lang in der Erde gelegen hatte, noch einen Tag länger warten konnte, während ihre Ladung zugrunde gehen konnte. Efimov wollte nichts davon hören. Er müsse seinen Fund bei der Eröffnung der archäologischen Konferenz präsentieren und würde um keinen Preis nachgeben.
Daraufhin schlug Soja dem Professor vor, ihre ungewöhnliche Fracht in dem leeren Steinsarkophag zu transportieren.
Der verblüffte Archäologe schien zuerst wütend zu werden, zögerte dann aber und stimmte zu.
„So zart und so hartnäckig!“, wunderte er sich.
Dann flog das Flugzeug entlang der Schwarzmeerküste.
Es war so interessant, die bekannten Sanatorien zu sehen, die sich als verstreute malerische weiße Flecken in den grünen Parks zeigten. Auf dem glitzernden Meer wirkten die Dampfschiffe wie winzige Spielzeugboote. Eine eigenartige Karawane von Lastkähnen mit schrägem, vom Bug zum Heck abfallenden Deck zog vorbei. Beladen mit etwas Glänzendem, das in der Sonne glitzerte, tauchten die Kähne einer nach dem anderen aus einer unsichtbaren Bucht auf, als würden sie direkt aus den Felsen herauswachsen.
Dann stieg das Flugzeug. Es wurde sehr kalt und der Professor empfahl Soja, ihren Mantel anzuziehen. Unter ihnen lag ein wunderliches Meer aus weißem Rauch, das von der Sonne durchflutet wurde.
Und jetzt …
Soja saß allein. Der Professor verschwand gemeinsam mit dem Navigator. Draußen vor dem Fenster tauchten in der weißlichen Dämmerung, die durch den Nebel brach, die dunklen Tragflächen des Flugzeugs auf.
Als der Navigator und der Archäologe das Cockpit betraten, sagte der Professor, ohne sich umzudrehen, ruhig, schnell und deutlich:
„Senden wir, es ist Zeit.“
Der Navigator setzte sich an das Funkgerät und griff zur Taste.
Der Professor stand neben ihm mit einem Blatt Papier in der Hand und diktierte:
„Ich, der König der Könige und Herr der halben Welt, Assurbanipal, habe alle rebellischen Völker besiegt. Stopp. Geben Sie mir einen Moment, mein Lieber. Jetzt …“
„Gib es durch“, sagte der Pilot, „wir haben kein Benzin mehr und wir fliegen über Berge.“
„Machen Sie bitte weiter“, beeilte sich der Professor. „ ‚Nachdem ich den Widerstand durch Feuerstrafe, das Blenden tausender Gefangener und die Zerstörung von Städten bestrafte, habe ich beschlossen, mir ein ewiges Denkmal zu errichten und ordne an …‘ Doppelpunkt. Hinweis: Ein Teil der Keilschrift ist unwiederbringlich verloren gegangen. Ein Stück des Deckels des Sarkophags, auf dem die Zeichen eingeritzt sind, ist abgebrochen.“
„Kein Landeplatz“, diktierte der Pilot seinerseits.
„Ende, Ende der Keilschrift“, sagte der Professor hastig. „Drei Punkte. ‚Durch die Gebirgsketten …‘ Punkt Punkt Punkt … ‚Am großen Tag meines Ruhms mögen sechshunderttausend Sklaven kommen …‘ Punkt Punkt Punkt. Und dann gibt es keine Zeichen mehr. Die Gelehrten müssen das Rätsel des Sarkophags des assyrischen Königs lösen.“
„Wir müssen auf den Felsen niedergehen“, rief der Pilot.
Draußen vor dem Fenster wurde es heller, der Nebel verschwand. Das Flugzeug legte sich plötzlich scharf auf die Seite. Soja konnte sich gerade noch an den Griffen festhalten. Ganz in der Nähe, vor den Fenstern, drehten sich zerklüftete Felsvorsprünge um eine un- sichtbare Achse, dann begannen sie zu flimmern und verschmolzen zu grauen Streifen. Soja bedeckte ihr Gesicht mit den Händen.
Das Flugzeug flog an einer senkrechten Wand entlang und berührte sie beinahe mit seiner Tragfläche.
Plötzlich wurde alles um sie herum dunkel. Das Flugzeug verlor an Geschwindigkeit, berührte die Oberfläche eines Sees und wirbelte Gischt auf. Tausende Tropfen bedeckten augenblicklich das Fenster. Etwas Graues und Schwarzes raste vorbei. Ein Ruck und Soja wurde in Richtung des Cockpits geschleudert. Etwas rüttelte unter dem Flugzeug. Das Cockpit kippte, und der schwere Sarkophag rutschte auf die Tür zu und zerschmetterte diese. Der Deckel des Sarkophags löste sich und schlug gegen die Wand.
„Wasser!“, schrie das Mädchen entsetzt, sprang auf und drehte sich, um nach dem umgestürzten Sarkophag zu sehen.
Das Flugzeug stand, oder besser gesagt, lag auf einer Seite.
Hinter dem Fenster konnte sie die Oberfläche eines seltsamen grünen Sees und eine senkrecht nach oben verlaufende bläuliche Wand sehen.
Hinter Soja öffnete sich die Tür und die Stimme des Professors erklang:
„So, da wären wir, meine Liebe! Haben Sie sich schon für die Ausfahrt fertig gemacht? Haben Sie auch Ihren Hut nicht ver- gessen?“ Er zögerte. „Was ist denn mit Ihnen los? Warum diese Verzweiflung in Ihrem Gesicht? Ah, der Sarkophag ist umgekippt! Oh, mein Gott!“ Und er klatschte in die Hände.
Das Wasser überflutete das Flugzeug. Soja versank bis zu den Hüften im Nass.